Für viele Krebsbetroffene beginnt nach der verhängnisvollen Diagnose ein lebensbedrohender Drahtseilakt. Ihre Lebens-Balance gerät ins Wanken. Die Ängste um das eigene Überleben dominieren. Eine maximale Verunsicherung gefährdet die psychische Stabilität und nicht selten auch die soziale. Die oft unausweichliche Therapie kann mit Operationen, Bestrahlungen oder einer Chemotherapie zur Tortur geraten und auch wenn diese überstanden ist, bleiben die Ängste vor Metastasen und Rezidiven.
Dieses Bild eines Drahtseilaktes hat mein eigenes Durchleben nachhaltig geprägt. Wie sehr hätte ich mir vor nunmehr 23 Jahren gewünscht, dass sich unter meinem schwankenden Krebs-Hochseil ein sicheres Netz befände.
Aber damals gab es noch kein solches Netzwerk an der norddeutschen Westküste. Weder eine Krebsberatungsstelle, noch palliative Einrichtungen, keine Psycho-Onkologen und nur rudimentäre Versuche, Selbsthilfegruppen zu etablieren.
Es bedurfte großer Anstrengungen, karitative Strukturen aufzubauen. Über Spaßveranstaltungen im norddeutschen Watt und solidarische Konzerte empathiebereiter Musiker entwickelten wir wirtschaftliche Voraussetzungen für ein tragfähiges Gerüst. Ein psychisches Korsett für lädierte und geschwächte Menschen, deren einziges und wertvolles Leben von einem Kriegsherren bedroht wird, der seine Gefangenen grausam zu Tode foltert. Wir begannen, ein Netzwerk aufzubauen, in dem sich Krebsgesellschaften und Onkologen mit Krebsbetroffenen bis hin zu Hospiz- und Palliativgesellschaften verknüpfen können.
Weil Wissen und Selbstachtung zu den wichtigsten Waffen in diesem Kampf gehören, entwickelten wir als medizinische Laien ein nachhaltiges Informationssystem und fundierte Fortbildungsmöglichkeiten die inzwischen sogar von der Ärztekammer zertifiziert werden. Mein ganz persönliches Augenmerk gilt dabei der Komplementärmedizin. Auch diese gehört zu unserem stetig wachsenden und immer dichter und zuverlässiger werdenden Netzwerk.
Wir haben dieses auffangende und vor einem Absturz schützende Geflecht unser „Netzwerk für Patientenkompetenz“ genannt.
Anders als zu Zeiten populärmedizinischen Halbwissens kann sich heute der mündige Patient gezielt im Internet informieren. Jedoch gilt es auch hier weiterhin, die Spreu vom Weizen zu trennen. Kommerzialisierte Heilsversprechen und fingierte Spendensammlungen sind oft nur schwer von medizinischer Redlichkeit zu unterscheiden. Auch hier hilft Wissen beim Überleben.