Malen als Schmerztherapie
Jens Rusch beginnt seine kostenlose Maltherapie gern mit den einleitenden Worten:
„Ihr habt möglicherweise in Eurem Leben noch kein einziges Bild gemalt, haltet Euch für völlig untalentiert und habt im Moment auch wirklich größere Probleme, als ein gutes Bild aufs Papier zu bringen. Ihr bringt weder eine Idee noch irgendeine Vorstellung mit, was Ihr hier eigentlich sollt. Aber eines bringen alle mit. Immer ! Euren eigenen Namen.“
Und dann lässt er seine krebsbetroffenen Teilnehmer mit einer sehr hellen Farbe und einem sehr dicken Pinsel groß und mutig ihre Anfangsbuchstaben auf das große Papier malen. Im Raum wird es bereits stiller. Dann lässt er anhand dieser durch Buchstaben bereits unterteilten Fläche alle Linien bis zum Rand durchziehen und weist auf möglicherweise entstandene „korrespondierende Flächen hin. Diese sollen nun geschickt mit passenden Farben und Mustern ausgefüllt werden.
Der eigene, vertraute Name gibt also sehr schnell Sicherheit, bildet ein Gerüst – der Rest ist Spielerei mit Farben.
„Ihr malt das ausschließlich für Euch selbst, Ihr müsst niemandem etwas beweisen und Ihr wollt damit auch nicht in den Louvre“ muntert er die nun konzentriert und still Malenden auf, die längst ihre Schmerzen und trüben Gedanken vergessen haben. „Macht Pausen, trinkt einen Kaffee oder Tee, schaut, was die Anderen gemacht haben.“ Schnell entstehen Gespräche, ein buntes Gemeinschaftsgefühl und recht selten auch ein Dialog über die gerade zu durchstehende Chemotherapie.
Alle Malnachmittage, die Jens Rusch gemeinsam mit Hans Erich Sievers ausrichtet, sind kostenlos für die Teilnehmer. Sie werden finanziert durch die Einnahmen der Wattolümpiade und Spenden.
Pressetext Januar 2014:
Das neue Jahr begann für den „Wattikan“ turbulent. In nur 50 Sekunden waren alle Startplätze für die nächste Wattolümpiade am 11. Juli vergeben, das kann auch an der großartigen Werbung im „Tatortreiniger“ gelegen haben. Aber auch in der Zwischenzeit ruht das Engagement der Aktivisten keineswegs. Die 7. Brunsbütteler Krebs-Informationstage nehmen nicht nur Konturen an, sie finden auch ein kraftvolles Pendant auf Bundesebene. Auch in Frankfurt, München und Hamburg sind zeitgleiche Veranstaltungen nach Brunsbütteler Muster geplant. Das so entstehende Netzwerk macht Sinn, findet Jens Rusch: „Zusammen mit den regionalen Krebs-Gesellschaften verdichten wir den Referenten-Austausch und damit die Fach-Kompetenz im Sinne Krebsbetroffener“.
Auch regional erweitert der Wattikan im Rahmen seiner Veranstaltungsreihe „STARK gegen KREBS“ sein Spektrum. Das Foto ( Fotograf: Mano Peters ) zeigt die Ergebnisse, die Hans-Erich Sievers und Jens Rusch, beide „Wattikanos“, wie sie sich selber nennen, mit teilnehmenden Kindern und Eltern beim „Ambulanten Kinder-Hospiz-Dienst in Meldorf anfertigten. Diese Maltherapie wird am 28. Januar im Gemeindezentrum der Pauluskirche in Brunsbüttel für Krebsbetroffene und Mitglieder von Krebs-Selbsthilfegruppen fortgesetzt. Sievers: „Die neuen Räume sind hier geradezu optimal für unser Aktion. Das Licht, die sanitären Anlagen und die Küche in greifbarer Nähe – wir lieben solche Kooperationen.“ Auch Dagmar Delventhal freut sich auf diese Aktion: „Wir, die Kirchengemeinde Brunsbüttel unterstützen das Engagement von STARK gegen KREBS sehr gern mit Spenden und gemeinsamen Aktionen. Wir würden uns freuen, wenn dieser Malnachmittag in unseren Räumen den Krebsbetroffenen sowie ihren Angehörigen hilft und ihnen ein paar Stunden beschert, in denen sie Schmerz und Ängste vergessen können.“
Gut ausgestattet tritt der Wattikan in diese Veranstaltungsreihe. 15 praktische Staffeleien – die Dirk Seidel, der auch die Benefiz-Gitarren für den Wattikan baute, zusätzlich mit einem praktischen Maltablett mit Farb- und Pinselhalter ausstattete – und ausreichend Farben und Malgründe stellte der Verein STARK gegen KREBS e.V. aus Frankfurt a.M. zur Verfügung. Das ist die Schwester-Organisation, die sich nach Brunsbütteler Muster weiter entwickelt hat. Private Sponsoren spendeten Hunderte von Pinseln. Dadurch ist die Teilnahme völlig kostenlos für Betroffene.
Jens Rusch versteht es, den Teilnehmern die Angst zu nehmen: „Meine Zielgruppe sind Menschen, die sich überhaupt nichts zutrauen und eigentlich ganz andere Probleme haben, als sich einem zusätzlichen Leistungsdruck auszusetzen“. Und so wird der kreative Prozess in einer Gruppe, die Konzentration und lustvolle Hinwendung, zum eigentlichen Ziel. Die Ergebnisse sind jedoch oft erstaunlich, wie das Foto zeigt.
Rusch beginnt seine Therapie mit folgenden, mutmachenden Worten: „Ihr habt möglicherweise noch nie einen Pinsel in der Hand gehabt, habt keine Vorstellung und keine Idee – aber eines habt Ihr Euer Leben lang bei Euch: Euren Namen“. Dann lässt er die Teilnehmer ihre Initialen groß und mutig auf den Malkarton „schreiben“ und danach durch wenige Striche diese in dutzende von kleinen Flächen unterteilen. So schwindet mit wenigen beherzten Strichen die Angst vor der Fläche. Bis zu diesem Punkt greift er noch helfend ein, danach ist das nicht mehr nötig. Die Teilnehmer suchen korrespondierende Flächen, werden aufgefordert, Farben und Übergänge zu erfinden, oder sogar Muster. Der Blick auf die Nachbarstaffelei schafft zusätzliche Inspiration und Nähe. Man kann einfach gar nichts mehr falsch machen – und in dieser Grundstimmung sind Sorgen und Nöte, ja sogar Schmerzen für eine Weile völlig aus dem Raum verbannt. Am Ende steht immer ein selbst geschaffenes Ergebnis, das sich sehen lassen kann.
Ausgedacht hat sich Rusch diese Arbeitsweise während seiner eigenen Krebstherapie, als trotz Morphium die Schmerztherapie versagte. Erstaunlicherweise waren aber seine Schmerzen völlig verschwunden, nachdem er es geschafft hatte, sich an seine Staffelei zu setzen. Weitere Selbsthilfegruppen haben bereits bei der engagierten Brunsbütteler Gruppe nachgefragt.